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MEINE ARBEIT |
Peter Wilberg |
Die Betonung meiner Arbeit liegt auf der Bedeutung Heideggerischen Denkens sowohl für die psychotherapeutische als auch für die medizinische Praxis. Es ist mein Ziel, den Focus hinweg vom Studium und der Klassifizierung psychischer und somatischer Pathologien - auf welche Art diese auch ‚analysiert’ oder ‚diagnostiziert’ werden mögen – und auf die Kapazität der Therapeuten zu lenken, auf ihre Fähigkeit die Klienten zu hören und sich auf sie in einer Weise zu beziehen die an sich therapeutisch ist. Heideggerisches Denken erlaubt es uns, Zuhören nicht nur als ‚Kommunikationsfertigkeit’ zu verstehen, sondern als einen Modus des Mitseins mit Anderen, der an sich therapeutisch ist. Die therapeutische Qualität des Zuhörens liegt meiner Ansicht nach in ihrem maieutischen Charakter (vom Griechischen maieusthai – als Hebamme wirken). Zuhören – schweigend mit sich selbst und dem anderen sein – ist die Geburtshelferin des Sprechens. ‚Maieutisches Zuhören’ bedeutet nicht nur das ‚Mitsein’, sondern das ‚Mitbären’ in der schwangeren Stille. Nur solch eine therapeutische Haltung kann dem anderen helfen, seinen Schmerz nicht nur zu ‚erleiden’, sondern ihn zu bären und zu leiben – und damit eine neue innere Haltung gegenüber der Welt und anderen Wesen zu gebären. Ich habe mehrere Beiträge zur Ontologie des maieuthischen Zuhörens im Journal of the Society of Existential Analysis veröffentlich. Gleichzeitig habe ich für eine fundamentale Richtungsänderung des Zuhörens in der Psychotherapie plädiert: von den psychischen Prozessen, die der Klient präsentiert und die ihm bewußt sein mögen, zu einer erfühlten Resonanz von Seiten des Therapeuten mit den Grundstimmungen, die das Bewußtsein des Klienten bestimmen. In meiner Präsentation über Feldphänomenologische Psychologie betrachte ich ‚Stimmungen’ als ‚Gefühlstöne’, die unser ganzes Bewußtseinsfeld bestimmen. Als solche sind sie Ausdruck des ursprünglichen und nicht lokalisierten Feldcharakters des Bewußtseins, das Heidegger Lichtung oder Feldung genannt hat. Was ich Felddynamische Phänomenologie nenne, ist eine Post-Heideggerische Phänomenologie in der alle Phänomene als lokalisierter Ereignisse verstanden werden, die in einem nicht lokalisierten Bewußtseinsfeld vorkommen (phuein) und aufscheinen (phainesthai), und dadurch einem ursprünglichen Bewußtseins-(ab)-grund Form geben. Das ‚Selbst-sein’ des menschlichen Daseins wird hier als als Er-eignis oder Selbstgestaltung dieses Grundzustandes des Bewußtseins verstanden - als Selbst-Ausdruck in der Form von individualisierten Feldmustern des Bewußtseins, die jedes für sich eine eigene ‚Welt’ oder ein Warnehmungsfeld konfigurieren. Bewußtseinsfeldmuster sind im wesentlichen die Muster von Gefühlstönen oder Tönungen von Warnehmung, die die ‚innere Musik’ oder das ‚innere Konzert’ des menschlichen Organismus konstitueren. Was ich als Existentielle Medizin bezeichne, ist eine Feldphänomenologische Medizin , die sich auf ein neues organismisches Verständnis des Leibes als musikalisches Instrument oder organon gründet, durch welches die Gefühlstöne im Zell-, Muskel- und Organtonus verkörpert werden. Es ist die Harmonie oder Dissonanz dieser organismischen Gefühlstöne, die die Gesundheit (soundness) des menschlichen Organismus bestimmen. Dieses neue Verständnis des menschlichen Organismus hat mich in den letzten Jahren zu einem kritischen Dialog mit der Theorie und Praxis der „Somatischen Psychotherapie“ geführt. Die beiden ins Deutsche übersetzten Artikel auf dieser Webseite wurden in Energy and Charakter, the International Journal of Biosynthesis veröffentlicht als ein Versuch, den Lesern eine Einführung in ein Daseinsanalytisches Verständnis des Wesens des menschlichen Organismus und der Rolle der „somatischen Resonanz“ zwischen Therapeut und Klient in der therapeutischen Beziehung zu geben. Es ist meine feste Überzeugung, daß Heideggerisches Denken einen Weg aufzeigt zu einer neuen Organismischen Ontologie von Gesundheit und Heilung. Nur eine solche Ontologie bietet eine wahre Herausforderung für die undurchdachten philosophischen Grundlagen zeitgenössischer biologischer Medizin und insbesondere der Gen-Therapie. Angesichts der enormen Gefahren, denen die Menscheit durch genetische Selbstmanipulation ausgesetzt ist und die Heidegger voraussah, ist es, so glaube ich, die Verantwortlichkeit ernsthafter Heideggerischer Denker solch eine Herausforderung zu stellen. Deshalb finden sich auf dieser Webseite zwei weitere Präsentationen – eine stellt ‚human genomics’ gegen Human Ontology (meine bevorzugte Übersetzung von Daseinsanalyse), die andere legt die ontologischen und feldphänomenologischen Grundlagen einer Humanistischen Medizin dar. In meinem Buch Heidegger, Medicine and Scientific Method hebe ich nicht nur Heideggers Rang als „der eigentliche Grundlagenforscher der Medizin“ (Medard Boss) hervor, sondern zeige auch einen grundlegend neuen organismischen und feldphänomenologischen Ansatz zu medizinischer Praxis auf. Wie in meinem Buch The Therapist as Listener so versuche ich auch in Heidegger, Medicine and Scientific Method aufzuzeigen, wie Ärzte und Psychotherapeuten nicht nur von Heideggers tiefen Einsichten in die leiblichen Dimensionen menschlichen Daseins lernen können, sondern auch, wie sie diese Dimensionen in ihrer Beziehung zu ihren Patienten auf direkte Art und Weise leiben können. Es ist meine Absicht zu zeigen, daß mittels der Artikel und Bücher auf dieser Webseite – und durch Beiträge, die ich andere ermutige einzusenden – Heideggers radikale Kritik des derzeitigen medizinisch-wissenschaftlichen Modells von Gesundheit und Krankheit in eine neue ‚Pathosophie’ oder ‚Weisheit des Fühlens’ (Weizsäcker) gewandelt werden kann, eine, die den inneren Sinn anerkennt, der in dem Pathos menschlichen Unbehagens liegt, und die Krankheit als die Gegebenheit versteht, in der sich der Mensch schwanger findet mit einer neuen Art und Weise, sein Dasein zu bären und leiben. |
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