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Zuhören ALS GEBURTSHILFE

Eine Einführen in Maieutisches Zuhören

Peter Wilberg

Einführung
Philosophische Wurzeln
Maieutisches Zuhören und das innere 'Du'

Spirituelles Hebammentum
Psychotherapie und Religion
Fruchtbares Tragen und Gebären
Maieutisches Zuhören und Psychotherapie Training
Hören und Fühlen

Sprache und Dialog des Hörens
Die innere Grundhaltung des Maieutischen Zuhörens
Therapie und Transformation
Hören und der Kontakt zum Kern
Hören und innere Berührung
Hören und Kommunikation zum Kern
Die Maske stirbt
Die zwei Haltungen des Egos
Schauen und Hören
Inneres Hören und inneres Sehen

Maieutisches Hören und der Übertragungsprozess

Nähe und Distanz
Energie und Sinn
Eine Frage des Seins
Postskript: Core-Bezogenheit und spirituelle Intimität

Einführung

Auf der Basis einer über 20jährigen phänomenologischen Erforschung der Natur des therapeutischen Zuhörens und des Hörprozesses stellt das Maieutische Zuhören eine Praxis des therapeutischen Hörens dar, das seine Wurzeln in der Philosophie hat und von der ich glaube, daß es große Bedeutung im psychotherapeutischen Training haben kann. Zur gleichen Zeit wirft es grundlegende Fragen hinsichtlich der Natur und der Ziele von Psychotherapie auf, der Rolle des Zuhörens in der therapeutischen Beziehung und seinem Platz im psychotherapeutischen Training. Hier handelt es sich um einen Bereich, in dem das Zuhören von zentraler Bedeutung ist, in dem jedoch die phänomenologische Erforschung des therapeutischen Hörprozesses weitestgehend vernachlässigt oder marginalisiert wurde. Der Sinn dieses Artikels zielt darauf ab, die philosophischen und ethischen Grundlagen des Maieutischen Zuhörens als therapeutisches Medium vorzustellen. Es ist unmöglich, im Rahmen dieses Artikels einen vollständigen Bericht über den Erfahrungshintergrund des Maieutischen Zuhörens zu geben, die historische Entwicklung und die Ergebnisse in der psychotherapeutischen Praxis. Ich möchte mich daher darauf konzentrieren, die Schlüsselmetaphern einzuführen, die das Maieutische Zuhören mit Berührungs-Therapien und Bodywork verknüpfen. Die dichte metaphorische Sprache, die eingebracht wurde, sollte nicht als komplexe theoretische Haltung verstanden werden, sondern eher als Versuch, neue Erfahrungsdimensionen des Hörprozesses zu vermitteln, und zwar so verdichtet wie möglich.

Philosophische Wurzeln

Maieutisches Zuhören hat seine grundlegenden Wurzeln im philosophischen Denken Martin Heideggers und in der Beziehungs-Ethik von Martin Buber. Heideggers Einfluss auf die Existential-Psychotherapie ist bekannt ebenso wie der Einfluss von Bubers Arbeit 'Ich und Du' auf personenzentrierte Beratungsarbeit und integrative Psychotherapie. Die Beiträge dieser beiden außerordentlichen Denker zusammenzubringen, stellt keine leichte Aufgabe dar. Heideggers Betonung der Beziehung des Menschen zum Sein steht dabei im Kontrast zu Bubers Betonung der Beziehungsdimension des Menschseins selbst. Der erstere verstand das Wesen des Menschseins als Beziehung zu etwas, das an sich nicht-menschlich ist. Heideggers Verständnis des Seins des Menschen als nicht reduzierbar auf reines 'Menschsein' stellt die Grundannahme des humanistischen Denkens und damit der humanistischen Psychologie in Frage, obwohl sich das nicht in deren Veröffentlichungen widerspiegelt. Bubers Erkenntnisse über die spirituelle Beziehung des Individuums zum göttlichen wie auch zum menschlichen 'Du' wurden in der humanistischen psychologischen Literatur ebenfalls vernachlässigt. Beide Denker bestanden darauf, daß das Wesen des Menschseins nicht auf ein Objekt oder ein 'ES' reduziert werden kann, ob man es nun als 'Das Unbewusste', 'Die Libido', 'Energie' oder 'Das Selbst' bezeichnet. Beide Denker verstanden darüber hinaus unter Zuhören etwas, das weit mehr ist als eine bloße natürliche Fähigkeit, ein Kommunikationsinstrument oder die Gabe der Empathie, und erkannten, dass es sich a) um den grundlegendsten Ausdruck unserer Fähigkeit handelt, sich auf unser 'Inneres Wesen' und auf das 'Innere Wesen' anderer Menschen zu beziehen, und dass es b) das Geheimnis der wortlosen Dimensionen der Sinnbedeutung des Seins in sich birgt, das niemals vollständig in Worte gekleidet, sondern nur auf subtile und metaphorische Weise durch das Wort kommuniziert werden kann (dia-logos).

Die philosophische Grundlage des Maieutischen Zuhörens ist das Verständnis des menschlichen Wesens als die menschliche Verkörperung eines Wesens, welches nicht an sich menschlich ist. Dieses Wesen ist nicht die menschliche Persönlichkeit , auch nicht der 'ganze Mensch', noch ist es eine unmenschliche Kraft oder eine unpersönliche Energie, kosmisch oder göttlich. Es ist beides, sowohl die Quelle unseres Menschseins und unserer Persönlichkeit in all ihren Aspekten, wie auch unsere Verbindung zum 'Sein', und allem Seienden. Das, was wir als 'Ganzer Mensch' bezeichnen, ist eine menschliche Personifizierung des inneren menschlichen Wesens. Der ganze Mensch ist nicht die Person - ein teilweise oder vollständig integriertes Selbst oder 'Ich', sondern ein 'Wir' - eine leibliche Beziehung zwischen der Person und ihrem 'Inneren Wesen'. Es ist die spirituelle Tiefe dieser Beziehung, die die Tiefe und Intimität unserer Einstimmung als Zuhörer zum Anderen bestimmt. Der Andere in diesem Sinne ist nicht nur ein anderes leibliches 'Ich', sondern die menschliche Verkörperung eines verborgenen sich leibenden 'Du'.

Maieutisches Zuhören und das innere 'Du'

Heutzutage kennt man nur zwei Arten der Intimität unter Erwachsenen: die emotionale Intimität des Gesprächs und die körperliche Intimität durch sexuellen Kontakt. Maieutisches Zuhören bedeutet die Kultivierung eines dritten Modus der Intimität. Dies ist spirituelle Intimität, die den Charakter einer unmittelbaren Du-Du-Beziehung trägt. Als Zuhörer kann ich mich auf den Anderen als 'Du' nur einstimmen, wenn ich mich auf mein eigenes 'Inneres Wesen' als ein 'Du' beziehen kann. Das eigene Wesen, dass wir das 'Innere' oder 'Kern' Selbst nennen wollen, ist im wesentlichen ein anderes Selbst als das selbst, welches wir 'Ich' nennen und in diesem Sinne ist es ein 'Du'. Nur durch meine Beziehung als 'Ich' zu meinem inneren Wesen als 'Du', kann ich mich auf das Wesen des Anderen als 'Du' beziehen. Nur wenn mein Zuhören nach innen gerichtet ist, kann ich meine Zugehörigkeit zum inneren Wesen des Anderen finden. Die sogenannte Ich-Du-Beziehung in diesem Sinne ist eine interne Beziehung zu meinem eigenen Wesen, die die Du-Du-Beziehung erst ermöglicht. Nur wenn ich meiner eigenen Ich-Du-Beziehung gewahr bin, kann ich die Beziehung des 'Ich' des Anderen zu seinem 'Du' wahrnehmen. Es ist die Beziehung zwischen dem 'Ich' und dem 'Inneren Du' und die Art und Weise, wie sie ein 'Wir' bildet oder nicht bildet, auf die sich Maieutischen Zuhören ausrichtet. Einfach ausgedrückt: man hört darauf wie der Andere sich selbst zuhört. Das findet seinen Ausdruck in der Art und Weise, wie jemand aus oder über sich selber redet; es kann jedoch an sich nicht thematisiert werden noch ist es etwas worüber man sprechen kann. Mithilfe der Schlüsselmetaphern des Maieutischen Zuhörens kann man jedoch ein leibliches Gefühl dafür hervorrufen.

Spirituelles Hebammentum

Der Begriff maieutic entstammt dem griechischen Wort maieuesthai - sinngemäß ausgedrückt: als Hebamme zu wirken. Zuhören, nicht nur auf andere, sondern auch auf sich selber, ist die Hebamme der Sprache. Die Besonderheit der Rolle einer Hebamme besteht darin, dass sie es nicht nur mit einer Person zu tun hat, nämlich mit der Mutter, vielmehr hat sie es bei der Behandlung und der Einstimmung mit einer Dyade zu tun, nämlich der Mutter und dem Geist des ungeborenen Kindes, das die Mutter trägt  oder zur Welt bringt. Das 'Wir', das zwischen dem 'Ich' und dem inneren 'Du' (Thou) geformt werden kann, ist vergleichbar mit dem 'Wir', das zwischen der schwangeren Mutter und ihrem ungeborenen Kind geformt wird. Als menschliche Wesen werden wir geboren, altern und sterben. Unser inneres Sein, weit entfernt davon, ein Baby zu sein, ist andererseits ewig ungeboren. Zur gleichen Zeit ist es die Quelle unseres gesamten Lebenspotentials, das niemals vollständig verkörpert oder ausgedrückt werden kann innerhalb einer einzigen Lebenszeit, wie 'ganz' oder 'integriert' wir auch immer werden.

MaieutischesZuhören unterscheidet zwischen der 'Persönlichkeit' als Art und Weise, wie wir diese Potentiale hervor bringen, sie in Wort und Tat personifizieren, und dem 'Charakter' als unsere Fähigkeit, diese Potentiale in Ruhe und Stille zu tragen und zu verkörpern, wobei wir ihnen erlauben, in uns zu reifen. Ziel des Maieutischen Zuhörens ist Reifung und Wachstum unserer Persönlichkeit und die Vertiefung unseres Charakters, wobei damit nicht nur die emotionale Integration verschiedener Seiten unserer Persönlichkeit gemeint ist, sondern die Vertiefung unserer inneren Beziehung zu ihren ewig schwangeren Quellen. Vertiefung des Charakters bedeutet auch, dass wir lernen, fortlaufend das wahre Gewicht und das Wunder unseres inneren Seins zu ertragen, eben wie eine schwangere Mutter das Gewicht und das Wunder des Wachstums ihres Babies in ihrem Leib trägt. So wie Schwangersein sich trotz aller Beschwerden und Symptome essentiell von Kranksein oder vom Geburtsprozess unterscheidet, so ist 'fruchtbares Tragen' essentiell verschieden vom repressiven Containing, von karthatischer Entleerung oder unerträglichem Leiden.

Psychotherapie und Religion

Die Verhältnismäßigkeit von Leiden und Ertragen bildet das Herzstück vieler zutiefst religiöser Metaphern der Menschheit, insbesondere solcher christlichen Metaphern, die die Geburt Christus durch die Jungfrau als fleischliche Inkarnation des Vaters betrachten. Die Konfusion zwischen Leiden und Ertragen, Heilung und Geburt ist die Quelle jener missverständlichen therapeutischen Praktiken, die nur nach der Überwindung menschlichen Leidens suchen und damit jede Notwendigkeit des Ertragens negieren. Das Herzstück solcher Praktiken ist eine pseudo-christliche und evangelische Theologie, die das Versprechen einer letztendlich triumphalen Geburt oder Wiedergeburt des personalen Selbst oder des 'Ich' geben, in dem das innere 'Du' untergeordnet wird und verschwindet – denn dessen Potentiale sind nunmehr verkörpert. Solch eine Verkörperung des realisierten Selbst würde die Spannung einer kontinuierlichen Beziehung zu dem inneren 'Du', zu anderen und der Andersheit überflüssig machen. Diese Haltung, wie falsch oder ungenau sie auch ist aus strikt theologischer Sicht, wird auf alle möglichen Weisen im Selbstverständnis und den Zielen der Psychotherapie reflektiert, die einseitig auf die Bedeutung emotionaler 'Arbeit' ausgerichtet ist und auf das, was, wenn auch unter Wehen, zur Geburt gebracht werden kann, statt auf die kontinuierliche Spannung, die sich aus dem Ertragen des noch nicht Geborenen ergibt, um diesem in Ruhe Zeit zur Reife und zum Wachstum zu geben. Sowohl Gesprächs- als auch Berührungstherapien, Analysen und Körperarbeit reflektieren eine beinahe religiöse Arbeitsethik, in dem sie eine gemeinsame Sprache teilen, die von Begriffen geprägt ist wie 'an etwas arbeiten' und 'etwas durcharbeiten', verschüttete Erinnerungen 'ausgraben', psychologische und körperliche Spannungen 'loslassen'. Der theologisch geprägte Aspekt dieser Einstellung ist die heilige Geburt, in der das Göttliche vollständig vermenschlicht wird. Der andere Aspekt ist was Heidegger das Wesen der modernen Technologie genannt hat, nämlich das Hervorzerren von aber auch allem was in der Natur und in der menschlichen Natur verborgen ist, um es vergegenständlicht verfügbar zu machen. Es stellt sich die Frage, wie oft therapeutische Praxis ein sanfter, aber nichtsdestotrotz technologischer und in diesem Sinne ein vorzeitiger und forcierter Versuch einer Geburtseinleitung durch die Hebamme ist. Wichtiger noch ist die Frage, wie weit dies mit der Angst der Patienten vor dem, was noch in ihnen schwanger ist, gemeinsame Sache macht, mit dem ängstlichen Wunsch, es zu benennen und zu objektivieren, es abzutreiben oder sich davon zu befreien oder sich selbst davon zu entbinden mit Hilfe des Therapeuten.

Fruchtbares Tragen und Gebären

Die Beziehung zwischen Mutter und Fötus ist eine Beziehung zwischen einem gebärenden Selbst und dem Selbst, das noch geboren werden soll. Über die metaphorische Sprache des Gebärens können wir das innere 'Du' verstehen als den nicht-menschlichen oder spirituellen 'Vater' dieses Selbst, der imstande ist, den Samen des Wandels, gepflanzt durch Lebenserfahrung und Lebensereignisse, fruchtbar zu machen. Das 'Ich' oder das personale Selbst stellt die menschliche Mutter dar, der Körper sein psychologischer Mutterleib. Der Fötus ist die gefühlte Präsenz innerhalb dieses Mutterleibs. Wenn wir uns gestatten, Gefühle zu fühlen, die zuvor unerträglich schienen, werden wir zu unseren eigenen Müttern, die fähig sind, diese Gefühle im Mutterleib unserer körperlichen Erfahrungen zu (er)tragen und ihnen die Zeit zu geben, zu reifen. Nur wenn wir es erlauben, dass diese verkörperten Gefühle unser Selbstgefühl verändern, können wir ein neues Selbst gebären. Aus Sicht des mütterlichen Selbst ist der Geburtsprozess wie Sterben. Aus der Sicht des Selbst, das geboren wurde, ist der Geburtsprozess jedoch genau das Gegenteil - eine Erfahrung der Inkarnation. Das personale Ich kann diese Inkarnation auch als einen neuen Lebensgeist erfahren, der durch ein neues Gebaren verkörpert wird. In diesem Sinn bedeutet Selbst-gebären das Hervorbringen eines neuen leiblichen Gebarens, das mit einem anderen Selbstgefühl verbunden ist. Dieses Selbst stellt eine Inkarnation des Vaters in den Körper der Mutter dar. Die Beziehung der Mutter zum ungeborenen Kind ist nicht durch Sehen oder Anfassen vermittelt sondern durch ein sich Hineinfühlen und Hineinhören. Die Hebamme richtet ihre Aufmerksamkeit ebenfalls auf das weder seh- noch faßbare, das verborgene ungeborene Kind.

Dies gilt auch für den Maieutischen Zuhörer, der sich auf das verborgene und ungeborene Wesen des Anderen einstimmt, etwas das auch weder seh- noch faßbar ist, und nicht nur auf das mütterliche 'Ich' des Klienten.

Maieutisches Zuhören und Psychotherapie Training

Therapeuten, die lediglich gelernt haben, auf die Sprache des Klienten zu reagieren und zu antworten, jedoch nicht in der Lage sind, die schwangere Stille, die dieser Sprache voraus geht, folgt oder diese durchdringt, zu ertragen, sind keine zuhörenden Therapeuten im wahren Sinne, wie emphatisch responsiv sie auch immer sein mögen. Solche Therapeuten werden stets darauf vertrauen, dass ihr eigenes Training ihnen einen Rahmen von theoretischen Kenntnissen und technischen Fertigkeiten bereitstellt zum Verstehen und 'arbeiten am' Klienten. Unter 'Zuhören' verstehen sie vor allem ein wichtiges und notwendiges Vorspiel, ein Prelude, dessen Ziel eine bestimmte Art von hilfreicher therapeutischer Antwort ist - sei es in Form von Gespräch oder Berührung, verbaler Intervention oder Körperarbeit. Das Modell ist einfach: Der Klient spricht frei, der Therapeut hört und antwortet 'emphatisch' nach bestem Wissen und Gewissen und auf eine Art, die seinem professionellen Training entspricht. Was in diesem Modell fehlt, ist ein Verständnis dafür, dass was der Klient sagt und die Art, wie er es sagt, lediglich eine Antwort auf die Weise ist, wie der Therapeut zuhört – von welcher Ebene er hört, worauf er hört, um die Wellenlängen der emphatischen Einstimmung, die ihm zur Verfügung stehen oder auch nicht, mit seiner Geduld oder Ungeduld als Zuhörer und vor allem mit seiner erlernten Weise zu konstruieren, was er hört - etwas, was häufig in der Sprache des Klienten vorweggenommen wird. Ein Therapeut, der sich dessen nicht bewusst ist, wie er zuhört und seines eigenen Hör-Prozesses nicht gewahr ist, kann nicht unterscheiden zwischen seinen eigenen inneren Antworten und Wahrnehmungen und den Vorstellungen, die er in seinem professionelles Training erworben hat. Mit anderen Worten, er kann nicht unterscheiden zwischen dem, was er hört und dem, was er gelernt hat zu hören und wie er gelernt hat seine eigenen Wahrnehmungen zu konstruieren. Er kann nicht unterscheiden zwischen seiner eigenen inneren Antwort auf den Klienten und der Art und Weise, wie er gelernt hat, diese inneren Antworten zu interpretieren und sie in äußere Antworten zu übersetzen. Darüber hinaus ist er sich häufig nicht bewusst, dass sein inneres Hören auf einen Klienten recht unabhängig kommuniziert, welche Art von äußerer Antwort er gibt oder nicht gibt. Andererseits mag er sich all dessen sehr bewusst sein und dies als Ursache von Angst und problematischer Unklarheit darüber empfinden, was wirklich in der therapeutischen Beziehung stattfindet. Teil dieser Ängstlichkeit mag ein Produkt seiner eigenen Ausbildung sein insbesondere dort, wo letztere keinen zentralen Raum lässt für das Verständnis der Natur des Zuhörens und des Hör-Prozesses, und stattdessen die gängigen Mythen darüber verstärkt.

Hören und Fühlen

Nach Innen zu hören ist das, was uns Zeit gibt, unsere Gefühle auf wortlose und körperliche Art zu fühlen, ohne dass diese herausgelassen, ausgedrückt oder unterdrückt werden müßten und ohne den Drang, sie zu benennen oder über sie zu reflektieren. Gefühle mit Worten zu benennen und zu diskutieren, verwandelt diese andererseits in gefühlte Gedanken, Gefühle, die wir gedanklich übersetzen und uns vorstellen als über etwas oder für jemanden. Es sind nicht die Gefühle per se, sondern emotional geladene Gedanken, die wir ausdrücken oder unterdrücken, die wir bekämpfen oder vor denen wir flüchten, oder von denen wir so blockiert werden, dass wir emotional einfrieren und uns von allen körperlichen Gefühlen abschneiden. Die meisten Counselling- und Psychotherapie-Formen haben eine Kultur der 'emotionalen Offenheit' gemein, die die Menschen ermuntert, ihre Gefühle zu benennen und zu beschreiben – dh. über sie zu reden. Diese Kultur scheint gegen eine 'Intellektualisierung', Ausagierung oder Somatisierung von Gefühlen gerichtet zu sein. In der Praxis kann dies jedoch eine Art Imperialismus des Intellekts sein, denn einen Klienten aufzufordern, seine Gefühle zu benennen oder zu beschreiben, erfordert, dass er sich intellektuell von ihnen löst, indem er sie in ein internes gedankliches Objekt verwandelt. Zur gleichen Zeit wird das Körpergefühl in gefühlte Gedanken transformiert – ein Gefühl 'über' oder 'für' ein Objektes. Zu Jemanden über seine Gefühle zu reden, ist prinzipiell sehr verschieden davon, zu Jemandem auf authentische Art und Weise zu sprechen – 'gefühlvoll' und aus unseren Gefühlen heraus zu sprechen. Authentische Sprache kommuniziert das Gefühl durch die innere Bedeutung unserer Worte und Körpersprache eher als der Versuch, diese über Worte zu definieren und wiederzugeben oder diese über körperliche Gesten auszudrücken. Über unsere Gefühle zu sprechen ist wie über Musik zu sprechen. Dabei sind wir vom Vokabular unserer 'Emotionen' her sehr begrenzt. Nehmen wir nur die Begriffe 'Verletzung' oder 'Enttäuschung', 'Ärger' oder 'Freude', Begriffe, die niemals die volle Bandbreite unserer Gefühlstöne wiedergeben können bzw. das, was diese kommunizieren – nicht verbal, sondern musikalisch. Das Paradox des psychotherapeutischen Diskurs ist, dass weit entfernt von der Entwicklung emotionaler Offenheit das Ganze leicht in eine Verarmung der emotionalen Sprache münden kann. Wichtiger noch ist, dass wenn man einen Klienten dazu bringen kann, über seine Gefühle zu reden, dies ihn davon abhalten kann, über die Themen, die ihn wirklich betreffen, authentisch und mit Gefühl zu sprechen

Sprache und Dialog des Hörens

Ein Poet, der versucht, seine intensiven Gefühlserfahrungen über eine Landschaft zu kommunizieren, schreibt nicht über seine Gefühle, sondern über die Landschaft selber. Die Natur an sich stattet den Poeten mit einer reichen metaphorischen Sprache aus, über die er seine Gefühle kommunizieren kann, eine Sprache, die weit mehr ausdrückt und weniger begrenzt ist als eine Sprache buchstäblich benannter und etikettierter Emotionen. Ähnlich verhält es sich mit dem gefühlvollen Sprechen über die Themen, die uns bewegen: dort sind wir weniger durch das Vokabular der Gefühle begrenzt, weil die Themen selber eine größere Bandbreite an implizierten Metaphern zulassen. Letztlich hat der Unterschied zwischen einem rein intellektuellen Diskurs und einer Sprache, die von tiefen Gefühlen durchdrungen ist, nichts zu tun mit dem thematischen Inhalt dieses Diskurs (z.B. ob es um Gefühle geht oder nicht), sondern mit der Tiefe des nach Innen Hörens des Sprechers. Eine fühlende Sprache ist eine reflektierende meditative Sprache – eine zuhörende Sprache. Eine fühlende Sprache, die im nach Innen hören verwurzelt ist, ist darüber hinaus eine wahrhaft gedankenvolle Sprache – eine, die ins Innere nach stimmigen Worten oder Metaphern horcht, und sich nicht auf stereotype Redewendungen und Gedankenmuster verläßt. Die neuen und bedeutungsvolleren Gedanken und Einsichten, mit denen unsere Gefühlen schwanger sind, können nicht durch reine Benennung dieser Gefühle mit Worten zum Ausdruck gebracht werden. Ihnen muss zunächst Zeit für die Inkubation und Reifung gegeben werden. Zuhören ist das, was uns Zeit gewährt, unsere Gefühle auf wortlose Art und Weise zu fühlen, unsere Gedanken, mit denen diese Gefühle schwanger sind, auszubrüten und die Worte zu finden, die diese auf wahrhafte Weise mitteilen können.

Die innere Grundhaltung des Maieutischen Zuhörens

Das Ziel des Maieutischen Hörens ist, die Bedingungen für eine fühlende und gedankenvolle Sprache zu schaffen und damit für einen auf das Zuhören gestimmten Dialog, in dem Gefühle auf dialogische Art und Weise kommuniziert werden (dia-logos) –durch die innere, nicht die buchstäbliche Bedeutung des Wortes. Die innere Disziplin des Maieutischen Zuhörens ist das Zurückhalten des gesprochenen Wortes, nicht nur während der Andere spricht, sondern bevor er spricht und nachdem er gesprochen hat. Nur durch diese Disziplin können wir unsere Fähigkeit stärken, die schwangere Stille mit dem Anderen zu ertragen und ihm dabei zu helfen, die Gefühle zu ertragen, die in dieser Stille schwanger liegen. Die grundlegende innere Einstellung des Maieutischen Zuhörers ist eine der Verhaltenheit. Verhaltenheit bedeutet kein stoisches Erdulden, kein Aushalten oder Erleiden von schwierigen und intensiven Gefühlen; vielmehr bedeutet es, diesen Zeit zur Reife zu geben, damit sie Früchte tragen, und neue Einsichten und ein neues Selbstgefühl ins Leben bringen können. Die Verkörperung dieser Haltung bedeutet jedoch nicht, sich der Gefühle 'in' unseren Körpern gewahr zu werden, sondern den Mut zu haben, diese mit unserem ganzen Körper zu fühlen – sie zu verkörpern. Körperliche Gefühle, die wir als unabhängige 'Energien' erfahren und die in einem Teil unseres Körpers aufsteigen, Gefühle, die unsere Gedanken stören oder sich ausdrücken als unbequeme somatische Sensationen und Symptome, sind Gefühle, die wir noch nicht vollständig verkörpert oder vollständig auf körperliche Weise identifiziert haben. Wenn wir uns jedoch gestatten, das Gefühl mit unserem ganzen Körper zu fühlen, dann hört es auf, ein rein körperliches Gefühl zu sein. Wir fühlen – nicht der Körper oder unsere Gedanken. Wenn dem so ist, ist es nicht notwendig, unsere Gefühle zu halten oder sie fließen zu lassen, sie auszudrücken oder zu unterdrücken, weil sie beginnen, uns zu wandeln dadurch, dass sie unser Selbstgefühl ändern und sich dabei in andere Gefühle verwandeln. Die Arbeit des Maieutischen Zuhörens ist die Arbeit der Verhaltenheit und gleichzeitig die Arbeit der Verkörperung von Gefühlen. Sie ist in ihrem Wesen eine körperliche Arbeit oder eine 'Körperarbeit', die sich jedoch sehr unterscheidet von der Art der therapeutischen Arbeit, die normalerweise mit 'Körperarbeit' bezeichnet wird. Letztere nimmt als Ausgangspunkt die Erfahrung emotional geladener 'Energien' in einem Teil oder in Teilen unseres Körpers auf, und zielt darauf ab, diese emotionalen Energien, von denen man annimmt, dass sie durch emotionale Panzerung gefangen oder blockiert sind, fließen zu lassen und sie auszudrücken.

Beim Maieutischen Zuhören werden Gefühle nicht als emotionale Energien verstanden, sondern als schwangere Sinn-Bedeutungen, Bedeutungen, die wir noch nicht in der Lage sind mitzuteilen, denn um dies zu tun, müssen wir uns zunächst erlauben, diese zu fühlen. Je weniger wir im Stande sind, diese Bedeutungen mit unserem ganzen Körper und dem ganzen Selbst zu fühlen, desto mehr erfahren wir sie als emotionale Energien, die mit einem Teil von uns verbunden sind und in einem Teil oder in Teilen unseres Körpers gefühlt werden. Das Wort Energie stammt von dem griechischen Wort energein, d.h. ‚arbeiten’ im Sinne von bewirkender oder gestaltender Aktivität. Über die Arbeit 'mit' oder 'an' der Energie eines anderen zu sprechen ist somit auf gewisse Weise tautologisch. Wenn jedoch ein Therapeut in der Lage ist, mit Verhaltenheit zu hören, dem Klienten dazu zu verhelfen, seine Gefühle zu ertragen, indem er diese mit dem Klienten gemeinsam erträgt, dann wird das Zuhörens des Therapeuten auf bedeutungsvolle Art und Weise wirken. Befreit von dem Bedürfnis, seine Gefühle zu unterdrücken oder auszudrücken, diese halten oder entleeren zu müssen, lediglich spürend, dass der Therapeut darauf vorbereitet ist, sie nicht nur anzuerkennen, sondern auch mit zu ertragen, beginnt die körperliche Abwehr des Klienten zu schmelzen, ohne dass mittels 'Körperarbeit' direkt eingegriffen wird. Die Fähigkeit des Therapeuten, diese Gefühle zu verkörpern, ohne in Rigidität oder Kontraktion zu verfallen, ohne diese auszuagieren oder zu kathartisieren zu lassen, ohne diese in gedankliche Objekte zu wandeln oder sie als körperliche Energien zu manipulieren, verhilft dem Klienten dazu, sich sicher zu fühlen. Der Therapeut wird auf stille Weise eine andere Art, mit Gefühlen zu sein und diese zu kommunizieren, modellieren - verkörpern - eine Art, die der Klient auf körperliche Weise spürt und von ihr zu lernen beginnt.

Therapie und Transformation

Maieutisches Hören hat nichts zu tun mit einem festen Satz von Ideen über das menschliche Leiden und seine Ursachen, auch nicht mit einer Palette von Techniken, um damit fertig zu werden, sondern mit einer inneren Haltung oder Gebaren - deutlich unterschieden von dem, was sowohl in der Analyse als auch in der Körperarbeit, in der existentiellen und in der integrativen Psychotherapie kultiviert wird. Nötig ist eine tiefe und reife Fähigkeit zur Verhaltenheit, um mit dem Anderen in der Stille zu ertragen, was auch immer an Intensität der Gefühle dort schwanger liegt. Und nur dies allein ist das, was anderen Menschen dazu verhilft, ihre Gefühle auf körperliche Weise zu spüren, sie zu ertragen und zu verkörpern. Auf diese Weise wird ihr Leiden in eine neue innere Haltung zum Leben transformiert. Damit meine ich ein neues, verkörpertes Gefühl von dem, wer sie sind, eines, durch das sie gleichermaßen neue Aspekte ihres inneren Wesens entdecken und verkörpern. Viele Menschen gehen in Therapie, weil sie das dringende Bedurfnis haben zu ändern, wie sie sich fühlen. Sie wissen jedoch nicht, was es bedeutet, 'von' ihren Gefühlen verändert zu werden. Das Reden über Gefühle und die Erforschung ihrer Bedeutung führt dazu, dass wir uns von ihnen distanzieren, um sicherzustellen, dass das, was wir fühlen, unser Selbstgefühl nicht berührt. Das gängige 'ich fühle X' impliziert ein unveränderbares Subjekt oder 'Ich', dessen Identität gleich bleibt, unabhängig von dem was dieses 'Ich' fühlt. Doch die Bedeutung eines Gefühls ist nichts, was 'therapeutisch' hervorgelockt werden kann. Es hat vielmehr zu tun mit der Art, wie dieses Gefühl unser Selbstgefühl auf ganzkörperliche Weise wandeln kann - sofern wir es dem Gefühl gestatten, unseren Körpern zu  durchdringen. Der Wandel ist dabei nicht das Ergebnis aus Einsichten in Gefühle. Einsichten begleiten oder folgen einem gefühlten Wandel, der auf körperliche Weise erfahren wird. Maieutisches Zuhören ist in diesem Sinne ein energetisches Hören, weil es ein aktiv veränderndes Hören ist – eine Art Hören, das in der therapeutischen Beziehung auf direkte Weise wirkt - da es sowohl den Therapeuten wie auch den Klienten wandelt. Es nicht einfach ein Vorspiel dazu, irgendeine therapeutische Reaktion zu finden, die dem Klienten hilft, sich zu wandeln. Die verkörperte Präsenz des Therapeuten wirkt auf direkte Weise auf den Klienten und verhilft diesem dazu, eine Verbindung herzustellen zwischen seinen körperlichen Wahrnehmungen und seinem personalen Selbst einerseits und dem bis jetzt noch ungeborenen Potential seines inneren Wesens andererseits. Die Einstimmung auf das innere Wesen des Klienten ist eine Einstimmung auf eine bisher noch ungehörte Stimme. Während der Therapeut dem Klienten zuhört, ist er sich dessen bewusst, dass die Stimme, die spricht, nur eine Stimme ist, und dass darunter eine tiefere und authentischere Stimme liegt. Sobald ein Klient beginnt, wichtige Wandlungsprozesse zu verkörpern, wird er von einem anderen Ort her sprechen - das ist etwas anderes als über sich selbst auf eine neue Art und Weise zu sprechen oder über Veränderungen zu berichten. Eine der Paradoxen des Wandlungsprozesses zeigt sich darin, dass die Stimme, die den Wandel ankündigt und darüber spricht, häufig die Stimme des ungewandelten Selbst ist. Wenn jemand sagt, 'ich habe mich verändert', dann ist das 'Ich' häufig noch nicht voll identifiziert hat mit dem Wandel, über den es berichtet, sondern er hält ihn auf Distanz, indem es ihn vergegenständlicht. So wie die Hebamme sich auf die beiden Selbst einstimmt - das Selbst, das gebiert und das Selbst, das geboren wird, so ist das Maieutische Hören des Therapeuten offen für die Zwillingsstimmen des Klienten - die Stimme des sich wandelnden Selbst und die des gewandelten Selbst. Sobald der Wandel vollständig vollzogen ist, hat der Klient nicht länger das Bedürfnis, mit seiner alten Stimme über den Wandel zu sprechen - stattdessen wird er diesen Wandel verkörpern und aus dem gewandelten Selbst heraus sprechen anstatt 'darüber'. Der neue Ort, von dem er spricht, ist ein neues inneres Gebaren, das einen eigenen inneren Ton und eine neue stimmliche Resonanz hat. Der Therapeut wird diesen Wandel an Ton und Sprache erkennen, die die Geburt der neuen Stimme ankündigen. So lange dies nicht der Fall ist, ist es um so wichtiger, dass der Therapeut dabei bleibt, sich auf eine Stimme einzustimmen, die bisher noch ungehört blieb, eine, die den vom Klienten gewünschten oder schon berichteten Wandel verkörpert.

Hören und der Kontakt zum Kern

Wenn er auf maieutisches Weise zuhört wird das körperliche Gebaren des Therapeuten  eine andere Art des menschlichen Mitseins verkörpern und kommunizieren - eine Fähigkeit zum Begegnen und sich begegnen zu lassen, zum Berühren und sich berühren zu lassen, zum andere Menschen auf der 'Kern'-Ebene (der Seinsebene) wahrnehmen und darauf zu antworten, unabhängig von körperlicher Berührung oder verbalem Gespräch. Mit dem Klienten auf der Seinsebene Kontakt zu machen bedeutet mehr, als einen gute professionelle Verbindung zu ihm aufzubauen. Eine gute interpersonale Beziehung kann es auch dort geben, wo noch keine wirkliche Begegnung auf Seinsebene entstanden ist. Eine Begenung dort erfordert, dass der Therapeut zutiefst in seinem eigenen Sein gegründet ist; er muss über die Fähigkeit verfügen, sich innerlich in Richtung des Klienten zu lehnen (,to lean’ oder ,to list’ - dahinter verbirgt sich das englische Wort list-en). Was ich 'Kontakt zum Kern' des Anderen nenne, wird nicht mit dem Körper gemacht, sondern nur durch ihn hindurch. Die Tatsache, dass ich in deine Augen schaue, Gefühle kommuniziere oder emotionale Signale austausche, bedeutet noch lange nicht, dass ich einen echten Augenkontakt herstelle - dass ich dein 'Du' sehe anstelle der physischen Augen und ihrer emotionalen Ausstrahlung. Für einen echten Augenkontakt muss ich vollständig präsent sein in meinem eigenen Blick, nicht nur als fühlender Mensch, sondern vor allen Dingen auch als geistiges Wesen. Die Tatsache, dass ich dir zuhöre mit meinem Kopf und meinem Herzen bedeutet noch lange nicht, dass ich 'Dich' höre - Dein inneres Wesen oder 'Du'. Um das zu tun, muss ich vollständig in mir präsent sein, in Berührung mit meinem eigenen inneren Wesen und in Einklang mit dessen innerer Stimme. Wenn eine Frau schwanger ist, lernt sie, ihre körperliche Haltung ihrem zunehmendem Gewicht und ihrem wachsenden Bauch anzupassen. Das Zentrum ihrer körperlichen Wahrnehmung senkt sich in die Bauchregion als Folge des Gewichts und der ziehenden Schwerkraft. Zuhören auf maieutische Weise bedeutet, dass wir uns gestatten, auf die Zugkraft unserer tiefen Gefühle zu antworten, wobei wir das Zentrum des Bewusstseins vom Kopf oder vom Herzen in den Bauch sinken lassen, an den Ort, den die Japaner mit 'Hara' bezeichnen. Hara ist nicht nur das physikalische Gravitätszentrum unseres Körpers, sondern auch ein geistiges Gravitätszentrum - der Ort tiefer innerer Stille, in dem unser verkörpertes menschliches Selbst unserem inneren menschlichen Wesen begegnet. Nach der Geburt befinden wir uns nicht länger im Mutterleib. Aber ob männlich oder weiblich, wir alle tragen einen Mutterleib in uns. Dies ist der innere Mutterleib der Stille, der nicht mit Fruchtwasser gefüllt ist, sondern mit den Tönen der Stille - dem flüssigen Medium unserer Gefühlstöne. Die Nabelschnur führt tief in den Uterus hinein zum Körper des Fötus. Zuhören auf maieutische Art bedeutet so etwas wie das Ausstrecken einer Nabelschnur zu einem Ruhepunkt der Stille innerhalb des Bauches - dem Hara – um in die Stille einzutreten und diese sich innerlich ausdehnen zu lassen. Wenn wir den Kontakt zum Kern des Anderen herstellen, fühlt sich das an, wie wenn eine unsichtbare Energiefaser aus einem Punkt kurz unterhalb des Nabels herauswächst. Diese Faser wird durch unsere Intention ausgesendet. Wir nehmen einen Menschen wahr, seine Worte und Körpersprache, seine Gedanken und Gefühle. Um Kontakt zum Kern eines anderen Menschen herstellen zu können, müssen wir als Zuhörer ihn wirklich meinen, genauso als wenn wir Jemanden ansprechen und nur ihn und niemand sonst meinen. Wenn wir dies tun, senden wir einen 'Fühler der Intention' in Richtung des Anderen von dem Ruhepunkt der Stille innerhalb unseres hörenden Leibes aus und berühren den Anderen dabei nicht von außen, sondern von innen. Kontakt zum Kern, ob über die Augen, Ohren oder Hände, über das Hören, das Sehen oder die Berührung, ist im wesentlichen stets ein innerer Kontakt des Hörens analog zu dem Stethoskop, das die Hebamme auf den Bauch der Mutter legt, um eine Art Nabelschnur-Kontakt herzustellen, damit etwas - oder eher Jemand - gehört werden kann.

Hören und innere Berührung

Wenn wir auf metaphorische Weise darüber sprechen, von einem Ereignis 'berührt' zu sein, sich mit jemandem 'verbunden' zu fühlen oder ein 'gebrochenes Herz' zu haben, so verwenden wir nicht einfach körperliche Metaphern – eine Körpersprache, um emotionale Zustände zu beschreiben. Noch sprechen wir im buchstäblichen Sinne vom physischen Körper. Wir sprechen vom menschlichen Organismus als einem metaphysischen Körper. Der metaphysische Körper ist der Seelenkörper oder psychische Körper - der Körper, der von einem Erlebnis berührt wird, weil es uns etwas bedeutet. Dagegen ist eine Seele nicht mehr und nicht weniger als ein Wesen, das fähig ist, etwas zu meinen. Ein Computer kann uns Informationen geben, aber er mißt Informationen keine Bedeutung zu, noch meint er den bestimmten Menschen, der die Informationen abfragt. Menschen sind in der Lage, sowohl Jemandem als auch etwas zu meinen. Der menschliche Organismus ist der Sinnesleib mit dem wir meinen und Sinn fühlen, mit dem wir uns nah oder fern zu anderen fühlen, und mit dem wir sie berühren können, ohne körperlichen Kontakt zu haben. Emotionale Energie ist das physische 'Wirken' von Sinn. Sinn, andererseits, ist metaphysische Energie - das direkte Wirken der Intention. Der physische Körper ist eine lebendige biologische Sprache des menschlichen Organismus oder Sinnesleibes. Die Berührung des Körpers eines Menschens mit der Absicht, 'an der Energie zu arbeiten', ist nicht dasselbe, wie die Absicht, den Menschen zu berühren. Die 'Arbeit an der Energie' mag den Menschen berühren, jedoch nicht notwendigerweise auch sein inneres Sein. Wollen wir jedoch das Wesen berühren und nicht nur den physischen Körper, so wird diese Intention selbst auf metaphysischer Ebene spürbar und energetisch erfahren werden. Wenn wir den Körper eines Menschen berühren, so fühlen wir seine Konturen, seine Wärme und seine Struktur. Für einen sensiblen Masseur bedeutet das Fühlen des Körpers eines Menschen, von diesem Hinweise von dessen inneren Wesen zu erhalten. Seine Berührung wird darüber hinaus eine Botschaft an dieses Wesen zurück tragen. Massieren bedeutet in diesem Sinne auch 'Messaging', eine Botschaft übermitteln. Es handelt sich also um eine re-lationale Dimension im wahrsten Sinne des Wortes ('eine Botschaft zurückzutragen', lat. relatere). Die Art und Weise, wie wir hören, was ein Mensch sagt, sagt ihm etwas, enthält ebenfalls eine Botschaft. Hören ist nicht nur eine Weise, in der wir verstehen, was jemand sagt - die Information, die er uns mitteilt. Es ist eine Art Jemanden zu meinen, ihm eine Botschaft zurückzugeben. Es ist nicht einfach ein passiver oder rezeptiver Modus der verbalen Kommunikation. Es ist ein aktiver Modus der stillen, wortlosen Kommunikation - einer Kommunikation zum Kern, die auf einem Kontakt zum Kern aufbaut.

Hören und Kommunikation zum Kern

So wie wir anderen zahlreiche wortlose Nachrichten über den Tonus unserer Stimme mitteilen, so übermitteln wir auch Botschaften durch den Ton unseres Schweigens – den Ton unseres Hörens. Gefühle sind im wesentlichen Töne unseres Seins, verkörpert im Muskeltonus und ausgedrückt als stimmlicher Ton. Gefühlstöne an sich haben einen Beziehungscharakter, denn sie sind gerade die Wellenlängen der Einstimmung durch die wir mit anderen Menschen Verbindung aufnehmen. Der Zuhörende erfährt nicht nur eine spontane emphatische Resonanz auf die Gefühlstöne anderer. Er setzt selbst einen Ton, stimmt sich ein auf eine bestimmte Wellenlänge und wird damit offen für Inhalte, die auf dieser Wellenlänge übertragen werden. So wie die Worte eines Sprechers von den Modulierungen seiner Stimmtöne getragen werden, so wird die innere Kommunikation des Zuhörers durch Modulierung seiner Gefühlstöne bestimmt. So, wie unsere stimmliche Kommunikation ihre eigene tonale Klangweite hat, so auch unser Ton des Hörens. Die Kunst des Maieutisches Zuhörens liegt darin, den Ton unseres Hörens aktiv zu modulieren und dabei die Wellenlänge unserer Einstimmung auf den Klienten zu bestimmen - auf ähnliche Art und Weise, wie wir den Klang unserer Stimme aktiv modulieren. Viele Therapeuten sind sich des Klangs ihrer Stimme bewusst und dessen, das er auf indirekte Weise ihre eigenen ungesprochenen Gedanken und Gefühle enthüllt. Sie mögen sich dabei weniger darüber im klaren sein, daß die Töne ihres Hörens ebenfalls ihre privaten und persönlichen Gedanken und Gefühle auf direktem und wortlosem Wege dem Klienten übermitteln. Alles, was der Klient sagt, ist bereits bestimmt durch und eine Antwort auf die inneren Töne unseres Zuhörens. Alles, was wir als Therapeuten hören, ist bestimmt durch die Wellenlänge unserer Einstimmung als Zuhörer. Eine tiefere Einstimmung auf den Kern des Klienten bedarf einer Einstimmung auf den Grundton unseres eigenen Wesens. Der Kern des Klienten wird durch die stille Resonanz dieses Grundtons berührt und erweckt. Maieutisches Zuhören ist ein Medium der Berührung durch resonante Einstimmung. Jede verbale und körperliche Kommunikation zwischen Klient und Therapeut ist Ausdruck und Verkörperung eines inneren Kontakts mit dem und einer inneren Kommunikation zum Kern, übertragen auf eine andere Ebene

Die Maske stirbt

Die Disziplin und grundlegende Haltung der Maieutischen Hörweise, das Zurückhalten von nach außen gerichteten Reaktionen zugunsten eines Ertragens mit dem anderen in schwangerer Stille, gestattet dem Therapeuten, mit dem Klienten auf der Seinsebene Kontakt zu machen, wobei die Gedanken und Gefühle, die das Gehörte im Therapeuten erwecken auf den Tönen des Stille zum Klienten zurück getragen werden. Diese Töne berühren den Klienten auf der Seinsebene und können von ihm als eine Art innerer vibrierender Berührung oder Massage empfunden werden. Ziel und Wert des Maieutischen Zuhörens besteht darin, anderen Menschen zur Verkörperung der eigenen Gefühle und der ungeborenen Aspekten ihres Wesens zu verhelfen, mit denen sie schwanger gehen. Für den Zuhörer selbst bedeutet die Übernahme einer Maieutischen Haltung, dass er es aufgibt, sich mit dem personalen Selbst zu identifizieren, mit der Maske oder 'persona', mit der er normalerweise antwortet (per-sonare - klingen, tönen durch etwas). Dieses personale Selbst besteht nicht einfach aus einem Satz starrer psychologischer Identifikationen. Es ist die Verkörpeung all jener gedanklichen und emotionalen, organischen und muskulären Reaktionen, die sich in der Sprache ausdrücken - dem Sprachleib oder der sprechende 'Persönlichkeit'. Der Sinn des Zurückhaltens besteht darin, die Identifikation mit der sprechenden Persönlichkeit aufzugeben. Die körperliche Erfahrung beim Einnehmen der Maieutischen Haltung ist eine, in der man zeitweise aus dieser sprechenden Persönlichkeit und ihrem Körper heraustritt - beides sozusagen sterben lässt -, und dessen emotionale und muskuläre Reaktionen man 'wegsterben' und schweigen lässt. Wir geben den Sprachleib auf und lassen ihn in unseren Wesenkerns sinken. Dies wiederum führt zu einer zeitweisen inneren Entspannung, zu einem 'Schmelzen' dessen, was Reich mit dem Begriff 'Charakterpanzer' bezeichnete, etwas, was die Persönlichkeit selbst, der Sprachleib und seine Maske, fortlaufend versucht zu reproduzieren und zu verstärken.

Die zwei Haltungen des Egos

Es ist nicht das Ego, das wir aufgeben, wenn wir eine Maieutische Haltung einnehmen. Denn es ist gerade das Ego, welches die Disziplin des Zurückhaltens übt, indem es sich von der Persönlichkeit weg in Richtung des inneren 'Du' wendet, um sich auf wissende Weise auf den Grundton seines inneren Wesens einzustimmen. Umgekehrt ist es das Ego, das geistig durch diesen Prozess gestärkt und transformiert wird und das sich von dem, was Melanie Klein mit der 'paranoid-schizoiden Position' bezeichnet, in Richtung der 'depressiven Position' bewegt.

Aus existentieller und Maieutischer Sicht ist die paranoid-schizoide Position eine Struktur, von der aus unser Ego eine 'Ich-Es' Beziehung zu unserem Körper und zu unserem inneren Wesen eingeht, wobei Körper und Geist, körperliche und emotionale Gefühle in externe oder interne Objekte verlegt werden, die wir als 'Selbst' ansehen oder als 'Nicht-Selbst' verleugnen. Der Unterschied zwischen dieser und der depressiven Position wurde von Winnicott gut beschrieben durch die Unterscheidung von 'Reagieren' (was Körperarbeiter den 'Startle Reflex' nennen, die Reaktion auf externe Einflüsse) und dem ununterbrochenen Sein ('going on being').

Der Wandel vom gewöhnlichen Hören zum Maieutischen Hören ist ein Wandel in dem das Ego aus der paranoid-schizoiden Position herauskommt und in eine 'depressive Position' sinkt, die gegründet ist im inneren Wesen. Ein Wandel, der von der Reaktion und dem Ausagieren, d.h. vom Tun zum Sein, von der Suche nach externen Antworten auf andere - etwas zu tun oder zu sagen zu haben - in Richtung des Fühlens unserer inneren Antworten und deren Verkörperung führt; von einem Hören, das von verbalem Denken und dem Sprachleib geformt ist zu einem Hören, das eingestimmt auf das Ohr unseres inneren Wesens die Stimme des Schweigens verkörpert. In diesem Wandel liegt, wie ich glaube, das heilende Potential des depressiven Prozesses.

Schauen und Hören

In der gewöhnlichen interpersonalen Kommunikation wird das Fehlen einer äußeren Aufgeschlossenheit und die Vermeidung des Augenkontaktes mit anderen als Zeichen für Unempfänglichkeit oder sogar als krankhaft angesehen. In der Therapie wird ebenfalls die warme, spontane und aufgeschlossene Praktikerin häufig der kühlen analytischen gegenüber gestellt. Die Maieutische Haltung basiert auf dem Verständnis, dass die wahre innere Aufgeschlossenheit von unsere Fähigkeit abhängt, nicht sofort zu reagieren, wenn jemand aufgehört hat zu sprechen, sondern uns Zeit zu geben, mit voller Aufmerksamkeit zu hören, was gesagt wurde, um dem ein zweites, mehr inneres Hören zu widmen. Das innere Hören des Therapeuten kann auf diese Weise eine neue Art der inneren Sichtweise oder Einsicht hervorbringen, jedoch nur, wenn sein Blick ein nach innen hörender Blick ist, und nicht einer, der auf das Äußere des Klienten gerichtet wird. Ein wortloser und andauernder Augenkontakt mit dem Klienten kann in der Tat ein machtvolles Medium für den Kontakt und die Kommunikation zum Kern sein, aber das ist der therapeutischen Beziehung nicht immer angemessen. So wie der Augen-Kontakt am machtvollsten ist, wenn er schweigend stattfindet, so ist der 'Ohr-Kontakt' am stärksten, wenn dabei nicht geschaut wird. Eines der größten Hindernisse für den Therapeuten beim Erlernen des Maieutischen Zuhörens ist die Angewohnheit, den Klienten anzuschauen, während er ihm zuhört, gleichgültig, ob der Klient dabei dem Blick des Therapeuten begegnet oder nicht. Das kann dazu führen, dass der Klient sich als Objekt fühlt, während es gleichzeitig den Therapeuten davon abhält, nach innen zu schauen und zu lernen, den Klienten mit dem inneren Blick zu halten. Nur durch diesen einwärts gerichteten Blick können sich das Zurückhalten und das Halten in eine Art inneren Sehens wandeln - eine, durch die der Therapeut beginnt, den Klienten auf neue Art und Weise zu erblicken.

Inneres Hören und inneres Sehen

Die Praxis des Maieutischen Zuhörens bereitet den Grund für eine besondere Art intuitiver Wahrnehmung oder Einsicht. Die Basis ist die Fähigkeit des Zuhörers, seinen Blick nach innen zu richten, Energie von den physischen Augen abzuziehen und in die Dunkelheit der Seelen zu schauen, als ob er seine Augen geschlossen hätte. Indem der Blick nicht auf den Körper des Klienten gelenkt wird, kann der Therapeut effektiver mit seinem eigenen Leib hören, indem er auf die Stille unter den Worten horcht und die Beziehung dieses Menschen zwischen seinem Sprachleib und seiner Persönlichkeit einerseits und dem stillen inneren Wesenskern andererseits erspürt. Die Einsicht, die der Hörer dann entwickelt, entspricht nicht der physischen Wahrnehmung eines Objektes, vielmehr ist es eine fühlende Wahrnehmung einer grundlegenden Beziehung. Wenn der Therapeut darüber hinaus gleichzeitig in der Lage ist, Bilder von der objektiven Situation, den Ereignissen und den Beziehungen, die der Klient beschreibt, aufsteigen zu lassen, wird es ihm möglich, in diese Bilderwelt einzutreten und darin zu verweilen wie in einem Traum. Der Maieutisch Zuhörende 'schläft' sich sozusagen in die Rede des anderen hinein, nicht nur, um die Erfahrungen des Klienten hinsichtlich bestimmter Ereignisse oder Beziehungen zu teilen, sondern um sie wie einen Traum des schlafenden inneren Wesens zu erleben. Die Art der Wahrnehmung, die sich daraus entwickelt, kann verglichen werden mit den Erfahrungen, die das ungeborenen Kinde im Mutterleib von dem hat, was die Mutter während der Schwangerschaft erlebt. Das Ausmaß, in dem ein Mensch im Stande ist, im Einklang und in Berührung mit seinem inneren Wesen während des täglichen Lebens und in den täglichen Beziehungen zu bleiben, ist vergleichbar mit der Fähigkeit der Mutter, mit ihrem Baby während des Alltags der Schwangerschaft in Berührung zu bleiben. So wie das Baby im Mutterleib weder sichtbar noch hörbar für körperliche Wahrnehmung ist, so ist auch das innere Wesen des Klienten verborgen. Die Hebamme muss nahe an den Bauch der Mutter kommen, um das Baby in ihr zu hören oder verwendet Ultraschall-Aufnahmen, um es zu sehen. Der Maieutisch Zuhörende jedoch kann ein inneres Bild von der Beziehung eines Menschen zu seinem Wesen entwickeln, indem er a) aufmerksam auf die Art und Weise horcht, wie ein Mensch über sich selbst spricht, während er zur gleichen Zeit auf die stille Stimme des inneren Wesen hört, das durch die Worte spricht und b) indem er sehr nahe an den verbalen Bildern bleibt, die der Klient von den verschiedenen Ereignissen und Beziehungen aufzeigt, während er sich zur gleichen Zeit in diese Bilder hineinfühlt.

Diese fühlende Einsicht bringt dann ihrerseits intellektuelle Einsichten hervor. Dies sind jedoch keine vorgeformten psychoanalytischen Metaphern an wie sie bei der 'Interpretation' von Träumen angewendet werden, sondern metaphorische Wahrnehmungen, die wie Traumbilder selbst präzise Ausdrucksformen von gefühlten Verstehens sind.

Maieutisches Hören und der Übertragungsprozess

Maieutisches Hören ist eine Einstimmung auf das, was Buber mit das 'Zwischenmenschliche' bezeichnet. Der offene und unerschöpfliche Raum von allen Menschen gemeinsamen Fragen – 'Wir'-Fragen, welche jeder Mensch auf seine eigene persönliche Art und Weise als Ich-Fragen erfährt. Viele Therapeuten sind andererseits darum besorgt, ihren eigenen Prozess von dem des Klienten zu trennen. Aus diesem Grunde ist es laufend erforderlich, das, was zwischen Therapeut und Klient stattfindet, in etwas zu übersetzen, das sich entweder im Therapeuten oder im Klienten abspielt: 'Wir'-Fragen in 'Ich'- oder 'Du'-Fragen, 'Wir-Gefühle' in 'Ich'- oder 'Du'-Gefühle. Unerwartete und ungewöhnliche 'Ich'-Gefühle, die vom Therapeuten erfahren werden, müssen dann als übertragene 'Du'-Gefühle erklärt werden, die zum Klienten gehören –die Wut oder Trauer wird die des Klienten und ist nicht seine eigene. Das Bedürfnis für Übertragungs- und Gegenübertragungs-Konzepte kommt daher, dass Gefühle als Privateigentum des personalen Selbst angesehen werden, als interne Objekte, die man besitzen oder verleugnen, austauschen oder übertragen kann. Diese Sichtweise macht es schwierig für den Therapeuten, die Echos auf seine eigenen Gefühle und Fragen im Klienten anzuerkennen. Doch wenn er dieses Echo nicht hört, kann er die Bedeutung, die seine eigene Beziehung zu diesen gemeinsamen Fragen für den Klienten haben könnte, nicht anerkennen; noch, was die Haltung des Klienten für ihn, den Therapeuten, bedeuten könnte.  Die innere Bedeutung dessen, was zwei Menschen miteinander sprechen, hängt immer davon ab, wie sie sich voneinander angesprochen fühlen, d.h. von den Aspekten ihres eigenen Wesens, die dem anderen entsprechen und die er verkörpert. Das, was der andere sagt, spricht mich an, weil es etwas entspricht, das zu mir gehört, und umgekehrt. Zuhören im wesentlichen Sinn heißt dann die volle Wahrnehmung einer inneren Zugehörigkeit meines Wesens zum Wesen des anderen. Ganz unabhängig von sogenannten Übertragungs- oder Gegenübertragungs-Prozessen bedeuten deshalb die Persönlichkeit und der Charakter des Therapeuten etwas für den Klienten und umgekehrt.

Ein Therapeut mag sich vieler seiner eigenen Erfahrungen, Gefühle, Erlebnisse oder Aspekte, die der Klient 'reflektiert' bewusst sein und sich deshalb in der Arbeit mit diesen mehr oder weniger wohl fühlen. Der Fokus des Maieutischen Zuhörens liegt jedoch auf den unbekannten Aspekten des Therapeuten, die ihm vielleicht zum ersten Mal in einem Klienten begegnen und umgekehrt, auf Aspekten des Klienten, die der Therapeut verkörpert und ausdrückt. Dies spielt eine besondere Rolle in der Kommunikation, denn es bedeutet, dass wir in einem allgemeinen und grundlegenden Sinn für einander sprechen und nicht nur für uns selbst. Oder anders ausgedrückt, dass wir für das gegenseitige 'andere' Selbst sprechen, für die gegenseitigen latenten und ungeborenen Aspekte.

Emphatisches Verstehen wird andererseits begrenzt durch die Dimensionen unserer Erfahrungen und Aspekte von uns selbst, mit denen wir bereits vertraut sind. Aus diesem Grunde ist Maieutisches Zuhören durchaus verschieden von emphatischem Hören. Es richtet sich nicht auf das, was wir verstehen, sondern darauf, was wir nicht verstehen; nicht auf das, was wir hören, sondern auf das, was wir nicht hören, nicht auf das, was nachklingt, sondern auf das, was nicht nachklingt. Die Dynamik der dyadischen Beziehung hat mit der Fähigkeit eines jeden Partners zu tun, nicht nur das anzuerkennen, was die andere Person für ihn verkörpert und ausdrückt, sondern dies selber zu verkörpern und auszudrücken.

Nähe und Distanz

Gewöhnlich geschieht es nur durch Trennung oder Distanz, dass ein Mensch beginnt, die Aspekte eines anderen als seine eigenen Aspekte anzuerkennen. Der Versuch des Therapeuten, Engagement und Intimität einerseits mit professioneller Distanz und Zurückhaltung gegenüber dem Klienten andererseits auszubalancieren, verbirgt eine dritte Dimension der therapeutischen Beziehung. Das ist die Intimität, die 'durch' persönliche Distanz erreicht wird, in der sowohl der Therapeut als auch der Klient beginnen, sich auf interner Ebene zu erfahren als Aspekte voneinander. Die persönliche Distanz ist es, die wahre innere Nähe zum Klienten gestattet. Menschen in  einer dyadischen Beziehung sind oft nur in Beziehungen außerhalb der Dyade fähig, die Aspekte zu verkörpern und auszudrücken, die sie zuvor mit dem anderen in Verbindung gebracht haben. All dies passiert auch in der therapeutischen Beziehung, in der ständig Parallelen oder Synchronität zwischen den Beziehungen und Erfahrungen des Therapeuten außerhalb der Therapie und den Beziehungen und Erfahrungen, die der Klient in die Therapie bringt, auftauchen. Durch Gewahrwerden dieser Parallelen beginnt der Therapeut nicht nur zu verstehen, was die Erfahrungen des Klienten für ihn bedeuten, sondern auch das, was seine Erfahrung für den Klienten bedeutet. Dann kann der Therapeut dem Klienten gegenüber nicht nur auf verbale Art antworten, mit hilfreichen Einsichten, die aus der gemeinsamen Erfahrung gewonnen wurden, sondern auch auf eine wortlose Weise auf 'Core'-Ebene kommunizieren – wobei er bewusst Aspekte seines eigenen Wesens verkörpert, von denen er weiß, dass sie für den Klienten und für dessen Beziehungen bedeutungsvoll sind. Die Körpersprache des Therapeuten kann ebenso wie seine Worte gemeint sein für einen bestimmten Klienten als Verkörperung eines für diesen Klienten neuen Gebarens. Diese verkörperte Kommunikation stellt eine grundlegende Dimension für die Körperarbeit des Maieutisch Zuhörenden dar.

Energie und Sinn

Ziel des Maieutischen Hörens ist es, die Lücke zwischen Gesprächs- und Berührungstherapien, Analyse und Körperarbeit zu überbrücken: d.h. zwischen Therapien, die auf die Sinnfindung durch Sprache und Therapien die auf energetische Prozesse gerichtet sind. Vielleicht besteht die wichtigste Gemeinsamkeit zwischen diesen beiden Therapieformen in der Bedeutung des Fragens. Eine Frage, die ein Therapeut an den Klienten verbal richtet, sie jedoch nicht selbst als Frage erlebt, ist eine leere Frage ohne energetische Ladung. Eine Frage, die ein Therapeut in sich selbst erfährt, ist eine energetisch geladene Frage. Eine derartige Frage zieht Antworten an, ob sie nun ausgesprochen wird oder nicht. Der Therapeut mag durch seine professionelle Rolle dazu verleitet werden, Fragen in verbaler Form an den Klienten zu richten mit dem Ziel, die energetische Spannung, die die Frage für ihn selbst hat, nicht zu spüren. Hinter jeder verbalen Frage steht eine unausgespochene Vorstellung von möglichen Antworten, eine Antizipation der erwarteten oder gewünschten Art der Antwort. Fragen, die der Zuhörende auf wortlose Weise in sich trägt und deren Spannung er anwachsen läßt, führen stets zu Antworten, die nicht von vorgefassten Meinungen geprägt sind, die die in Worten ausgedrückte Frage unvermeidlich in sich trägt.

Wir benutzen Sprache, um Beziehungen zwischen Dingen und zwischen Menschen herzustellen. Wir stellen Fragen, weil wir eine abwesende, weil unerkannte Beziehung gedanklich nicht darstellen können. Ist eine Frage emotional geladen, so geschieht das, weil wir die Abwesenheit von Beziehung als Spannung oder eine potentielle Energie zwischen Dingen oder Personen erfahren– so wie die potentielle Energie, die von 2 elektrisch geladenen Platten erzeugt wird, zwischen denen kein Strom fließt. Eine grundlegende Weise, wie Sinn in der Therapie erfahren wird, ist durch die potentielle Energie einer erfahrenen Frage, die sich in Form der körperlichen Ladung oder Spannung ausdrückt. Ein anderer Aspekt von Sinn ist der energetische Fluss, der aus dieser Spannung oder Ladung folgt, sofern dieser a) gestattet wurde, sich aufzubauen und b) sie nicht abrupt kurz-geschlossen und entladen wurde. Wenn der Therapeut Worte benutzt, um 'Verbindungen' herzustellen oder den Klienten dazu auffordert, so ist die kritische Frage, ob der energetischen Spannung und damit dem Sinngehalt der Frage gestattet wurde, sich aufzubauen, oder ob die Verbindung, wieviel Energie sich auch immer aufgebaut hat, nur deshalb hergestellt weden soll, um sie zu entladen, damit der tiefere Sinn nicht zum Vorschein kommt.

Das Zurückhalten des gesprochenen Wortes während des Maieutischen Hörens führt nicht dazu, dass der Therapeut in ständigem Schweigen verharrt. Es geht darum, sicher zu stellen, dass keine Fragen gestellt oder Verbindungen durch Sprache hergestellt werden, ohne dass der Therapeut zunächst der Energie und dem Sinn der Frage gestattet, auf einer tieferen Ebene erfahren zu werden, auf wortlose und körperliche Art. Zurückhalten ist die Fähigkeit, die Spannung einer erfahrenen Frage körperlich und energetisch auszuhalten und den Klienten nicht vorzeitig zur Entladung zu verleiten.

Eine Frage des Seins

Die existentielle Psychotherapie hat längst erkannt, dass sich hinter den persönlichen Fragen, die Menschen in die Therapie bringen, gewisse grundlegende und gemeinsame Fragen des Menschseins verbergen, Fragen, die mit Leben und Tod zu tun haben, mit freier Wahl und Verantwortlichkeit, Einsamkeit und Bezogenheit. Dies sind Fragen, die traditionell eher von der Philosophie als von der Psychologie gestellt werden. Der Mut von Heidegger und Buber lag in der Erkenntnis, dass grundlegende philosophische Fragen, ebenso wie Fragen, die in der Therapie gestellt werden, mit unserer Beziehung zu Dingen und zu Menschen zu tun haben und nicht nur mit unserer wissenschaftlichen Sicht von Beziehungen zwischen Menschen oder Dingen. Es war Heidegger, der erkannte, dass ein feineres Ohr für den Sinn des Seins gegründet sein muss im Hören und im Dasein des Denkers. Es war Buber, der erkannte, dass diese tiefere Beziehung zum Sein eines tieferen Mitseins mit anderen bedarf.

Hinter jeder bedeutenden Frage verbirgt sich der Schmerz einer erfahrenen Distanz von unserem eigenen Wesen und von anderen, einer Distanz, die uns paradoxerweise näher bringt, wenn wir bereit sind, sie zu erkennen und zu ertragen. Die Notwendigkeit der Psychotherapie besteht nicht darin den Schmerz oder die Not der Klienten zu lindern, sondern ihnen dabei zu helfen, die Abwesenheit einer wesentlichen Beziehung zu sich selbst und zu anderen als Not zu erfahren. Für Heidegger lag die Krankheit der Gesellschaft nicht in der menschlichen Not, sondern in der Identifikation von Gesundheit mit 'Not-losigkeit'.

Postskript: Core-Bezogenheit und spirituelle Intimität

Der Mensch ist die menschliche Verkörperung seines inneren Wesens. Das innere Wesen ist selbst an sich nicht menschlich. Es ist jedoch auch nicht unmenschlich, vielmehr ist es die Quelle aller menschlichen Gefühlen und Qualitäten, die wir in der Lage sind, zu verkörpern und zu leben. Die Unfähigkeit zwischen dem menschlichen Körper und dem menschlichen Wesen zu unterscheiden, dem persönlichen 'Ich' und dem innere 'Du', ist die Quelle der Unmenschlichkeit des Menschen, denn hinter dem Missbrauch von Menschen verbirgt sich eine verzweifelte Suche nach spiritueller Intimität – einem Gefühl der Core-Bezogenheit zu anderen Wesen. Die gewaltige Intensität dieser Suche wird oft durch Gewalt ausagiert, in der unbewußten Hoffnung durch die Vernichtung des Körpers den Kern des anderen zu erreichen.

Das zu Beginn des Artikels aufgeworfene Problem, nämlich das unsere Kultur lediglich zwei Arten von Intimität kennt: körperliche und emotionale, sexuelle und persönliche, oberflächliche und sentimentale, wobei jeglicher Sinn dafür fehlt, was es bedeutet Core-Kontakt, d.h. spirituellen Kontakt mit anderen Menschen aufzunehmen, das darf nicht unterschätzt werden. Während Freud die sexuellen Tabus seiner Zeit infrage stellte, so stellt Maieutisches Hören spirituelle Tabus von heute infrage – das Tabu, spirituelle Intimität, spirituellen Verkehr und spirituelle Befruchtung zu erfahren und zu kultivieren. Jeder Tag können wir die Chance wahrnehmen, andere Menschen zu treffen oder von ihnen getroffen zu werden, sie zu berühren oder von ihnen berührt zu werden, sie zu befruchten oder befruchtet zu werden. Oder eher, wir könnten die Chance wahrnehmen, wenn wir nicht so sehr auf spirituelle Empfängnisverhütung eingestellt wären, wenn wir fähiger wären, das Schwangersein zu ertragen und weniger Neigung hätten zur Abtreibung, ob gedanklich oder emotional, der neuen Aspekte unseres Selbst, die befruchted wurden. Schwangerschaft ist keine Krankheit, aber Krankheit ist eine Art spirituelle Schwangerschaft oder Fehlgeburt. Der Sinn der Therapie ist nicht die Abtreibung oder die Evakuierung, die Unterdrückung oder Entladung von dem, womit der Klient schwanger geht, sondern ihm durch unser Mitsein, Mitertragen und Mitgebären bei der Geburt eines neuen Selbst zu helfen. Die Rolle des Zuhörenden ist die einer Hebamme, die dem Klienten zeigt, was es bedeutet, die emotionale Spannung dieser Schwangerschaft auszuhalten und durch die Geburtswehen zu gehen, ohne die Entbindung zu forcieren. Die wesentliche Arbeit des Maieutischen Hörens ist Körperarbeit – eine Fähigkeit, die Spannung einer Frage auszuhalten und die Gefühle zu verkörpern, die damit verbunden sind. Ziel ist, dem anderen Menschen durch verkörperte Präsenz unseres eigenen Wesens zu begegnen. Der Wert für den Körperarbeiter liegt dabei nicht darin, seinem eigenen professionellen Training und Selbstbild zu entsprechen, sondern sein eigenes Wesen zu verkörpern, das Wesen, das allein das Dritte Ohr für das Wesen des Klienten ist.

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